Tiefenpsychologie
Der Begründer der heute breit aufgefächerten Tiefenpsychologie ist Sigmund Freud. Ohne seine von ihm anfangs als "Redekur" bezeichnete Psychoanalyse gäbe es vermutlich bis heute keine Psychotherapie. Was alle tiefenpsychologischen Ansätze eint, das ist die Lehre vom Unbewussten: Ein großer Anteil der in uns ablaufenden seelischen Prozesse ist uns nicht bewusst. Das ist wörtlich zu verstehen: "Unbewusst" heißt wirklich: Wir wissen es nicht.
Versuchte Freud anfangs, mit der Hypnose auf direktem Wege an die unbewussten Inhalte zu gelangen, so kam er später zu dem Schluss, dass die Beschäftigung mit den umgearbeiteten und verfremdeten Inhalten, wie sie zum Beispiel in Träumen, Fehlleistungen und im Witz erscheinen, mehr über seelische Prozesse verrät. Beim Träumen schauen wir gewissermaßen dem Seelischen bei seiner Arbeit zu, wie es unbewusste Inhalte in bewusstseinsfähige verwandelt. Diese Arbeit an der ebenfalls unbewussten Umbildung seelischer Inhalte ist für das Verständnis seelischer Störungen bedeutsamer und erkenntnisreicher als das bloße Aufdecken von "Verdrängtem".
Psychologische Morphologie
Bei der Psychologischen Morphologie handelt es sich um einen verhältnismäßig neuen tiefenpsychologischen Ansatz, der von Prof. Wilhelm Salber am Psychologischen Institut der Universität zu Köln entwickelt wurde. In diesen eigenwilligen und kreativen Ansatz ging nicht nur die Psychologie S. Freuds ein, sondern auch Diltheys Gedanken über eine beschreibende und zergliedernde Psychologie, die Formenlehre (Morphologie) Johann Wolfgang v. Goethes, die Ganzheitspsychologie F. Sanders sowie die Gestaltpsychologie von W. Köhler. Ihre Anwendungsfelder liegen nicht nur in Therapie, Beratung und Coaching sondern auch in der Markt-, Medien- und Kulturforschung.
Seelisches als Gestalten in Entwicklung
Grundlegender Gedanke der Morphologie ist, dass Seelisches als ganzheitlicher Prozess verstanden werden kann, der nie "fertig" ist, sondern sich in einem ständigen Umbau befindet. Dabei organisiert es sich in geschlossenen Ganzheiten, die als "Gestalten" bezeichnet werden. Eine Episode im Alltag ist eine solche Gestalt, die W. Salber als "Handlungseinheiten" bezeichnete: Zähneputzen, Frühstücken, Autofahren u.ä. waren daher in seiner psychologischen Forschung ganzheitliche Untersuchungsgegenstände, anhand derer er die unbewusst wirksamen Bedingungen seelischen Geschehens herausarbeitete. Ihn interessierte dabei nicht nur, wie sich diese Ganzheiten organisierten, sondern vor allem, wie diese ineinander übergehen.
Auch eine Paarbeziehung kann als eine geschlossene Gestalt aufgefasst werden, die sich anhand von Gestaltgesetzen organisiert. Sie ist dabei in einem ständigen Umbau. Viele Störungen in Paarbeziehungen, die systemisch als Kommunikationsproblem erscheinen, sind tiefenpsychologisch Störungen in ihrer Gestaltbildung und Gestaltentwicklung (lesen Sie hier zum Beispiel meinen Blogartikel zum Thema "Wann ist ein Paar ein Paar?").